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Medizinrecht – Fragen und Antworten

Täglich werden in Deutschland Zehntausende von Patienten durch Ärzte behandelt. Jedoch nicht jede ärztliche Behandlung verläuft fehlerfrei. Hat möglicherweise ein ärztlicher Behandlungsfehler stattgefunden, so stellt sich für den Patienten in der Regel die Frage, wie er seine Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld etc. gegenüber dem behandelnden Arzt bzw. dem Krankenhaus geltend machen kann. Die wichtigsten Fragen und Begrifflichkeiten aus dem Bereich Medizinrecht erläutern wir Ihnen daher nachfolgend:

Abfindungsvergleich:

Häufig versuchen die Haftpflichtversicherungen der Ärzte bzw. Krankenhäuser mit dem Geschädigten einen sog. „Abfindungsvergleich“ abzuschließen. Gegen die Zahlung eines Gesamtabfindungsbetrages soll der Geschädigte auf alle weiteren und zukünftigen Ansprüche gegenüber dem Schädiger und seiner Haftpflichtversicherung verzichten. Ein solcher Abfindungsvergleich darf daher vom Patienten nicht voreilig abgeschlossen werden. Das Für und Wider eines solches Vergleichs sollten intensiv gegeneinander abgewogen werden.

 

Arzneimittelherstellerhaftung:

Nach § 84 AMG (= Arzneimittelgesetz) besteht die Vermutung, dass ein Gesundheitsschaden durch ein Arzneimittel verursacht worden ist, wenn das angewandete Arzneimittel geeignet ist, den Schaden zu verursachen.

 

Arzthaftung – Gutachterverfahren:

Um eine ärztliche Behandlung überprüfen zu lassen, wurden bei den jeweiligen Ärztekammern hierfür unabhängige Gutachterkommissionen für ärztliche Haftpflichtfragen eingerichtet (vgl. Liste der Gutachterkommissionen: http://ra-kotz.de/ arztbehandlungsfehler.htm). Dieser gehören ein Volljurist und mehrere Ärzte an. Der Patient kann sich bei einem vermuteten Behandlungsfehler direkt an die Gutachterkommission bei der für ihn zuständigen Ärztekammer wenden und bei dieser den Antrag stellen, dass die erfolgte ärztliche Behandlung überprüft werden soll. Die Gutachterkommission beauftragt sodann in der Regel zwei auf dem medizinischen Fachgebiet erfahrene Ärzte als Gutachter. Die Gutachter überprüfen jeweils unabhängig voneinander anhand der Behandlungsunterlagen (Röntgenbilder, Operationsberichte, Krankenakten etc.) die erfolgte ärztliche Behandlung. Auf Grundlage dieser Gutachten wird von der Gutachterkommission eine Stellungnahme hinsichtlich des Vorliegens eines ärztlichen Behandlungsfehlers abgegeben. Können sich der Patient und der behandelnde Arzt bzw. dessen Haftpflichtversicherung trotz der erfolgten Stellungnahme nicht einigen, so hat der Patient weiterhin die Möglichkeit, seine berechtigten Schadensersatzansprüche gerichtlich gegenüber dem Arzt bzw. dem Krankenhaus geltend zu machen. Das Gutachterverfahren ist für den Patienten kostenfrei. Während der Durchführung des Gutachterverfahrens ist die Verjährung der Schadensersatzansprüche des Patienten gehemmt.

 

Behandlungsfehler – Beweislast des Patienten:

Grundsätzlich muß der Patient die Voraussetzungen eines Behandlungsfehlers und dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Gesundheitsschaden darlegen und beweisen. Dies gilt sowohl für den Vorwurf eines Behandlungs-, Diagnosefehlers oder eines Fehlers in der Befunderhebung. Gelingt einem Patienten der Nachweis eines Fehlers durch einen behandelnden Arzt, nicht aber der Nachweis der Ursächlichkeit dieses Fehlers für den bei ihm eingetretenen Gesundheitsschaden, kommen ihm Beweiserleichterungen nur dann zu Hilfe, wenn ein grober ärztlicher Fehler vorliegt. Das Gleiche gilt auch für die Beweislastumkehr bei groben Organisationsmängeln in der Arztpraxis oder im Krankenhaus oder grob fehlerhaftem Verhalten des nichtärztlichen Personals.

 

Behandlungsfehler (grober) – Wann liegt er vor?

Ein grober Behandlungsfehler liegt dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt nicht unterlaufen darf. Ein grober Fehler führt regelmäßig zur Umkehr der Beweislast zu Lasten des behandelnden Arztes. Für die Haftung eines Arztes aufgrund eines groben Behandlungsfehlers reicht es aus, dass der Fehler generell zur Verursachung des beim Patienten eingetretenen Schadens geeignet war.

 

Behandlungsunterlagen:

Der Arzt und/oder der Krankenhausträger müssen dafür Sorge tragen, dass der Verbleib von Behandlungsunterlagen jederzeit nachvollziehbar ist. Werden Behandlungsunterlagen an Dritte weitergeleitet, so muss dokumentiert werden, wann, wohin und zu welchem Zweck die Unterlagen weitergeleitet worden sind.

Einwilligung in Operation immer notwendig?

Der Arzt (Operateur/Anästhesist) darf den Patienten ohne Einwilligung behandeln, wenn sich das Aufklärungsbedürfnis während der Operation herausstellt und er annehmen durfte, daß der Patient bei entsprechender Aufklärung in die Operation eingewilligt hätte (sog. „hypothetischer Patientenwillen“).

Klinikhaftung für Infektionen:

Versäumt die Klinikleitung die Chefärzte auf mögliche Infektionsgefahren für die Patienten hinzuweisen, so haftet die Klinik bei Schadensfällen auf Schadensersatz.

Mitwirkungspflicht des Patienten:

Die mangelnde Mitwirkung eines Patienten an einer medizinisch notwendigen Behandlung schließt einen Behandlungsfehler durch den Arzt nicht aus, wenn der Patient über das Risiko der Nichtbehandlung nicht ausreichend aufgeklärt worden ist (BGH, Urteil vom 16.06.2009, Az.: VI ZR 157/08).

Sachverständigengutachten – notwendig?

Im Arzthaftungsprozess hat das Gericht zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts in der Regel immer einen Sachverständigen einzuschalten.

Schadensersatzansprüche:

Der Patient hat einen Anspruch auf den Ausgleich von dauerhaften materiellen Nachteilen (z.B. besondere Arzneimittel, besondere Behandlungskosten, Massagen, Kuren, Mehraufwendungen für Kleidung, besondere Körperpflegemittel, Ausgaben für Begleitpersonen, erhöhte Ausbildungskosten, Kosten für Verkehrsmittel, Fahrzeugkosten für Mehrfahrten, Mietzuschüsse, Eigenheimanpassungs- und Umbaukosten, Pflegeheimkosten etc.). Der Schadensersatzanspruch des Patienten bezieht sich auch auf seinen Erwerbsschaden. Kann der Patient seinen alten Beruf nicht mehr ausüben, so hat er einen Anspruch auf Erstattung von Umschulungskosten. Im Falle der Tötung des Patienten sind zudem noch die Beerdigungskosten sowie der entstandene Unterhaltschaden zu ersetzen.

Schmerzensgeldansprüche:

Das Schmerzensgeld soll die erlittenen Nichtvermögensschäden des Patienten ausgleichen und dient ihm zudem als Genugtuung. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von der Größe, Heftigkeit und Dauer der körperlichen und seelischen Schmerzen sowie Leiden und dem Alter des Patienten ab. Zu berücksichtigen sind zudem die Auswirkungen der Schädigung auf das Berufs- und Sozialleben des Patienten. Das Verhalten des Arztes und seiner Haftpflichtversicherung nach dem Behandlungsfehler kann die Bemessung des Schmerzensgeldes zudem beeinflussen. Eine grundlose Verzögerung der Entschädigungszahlungen an den Patienten führt zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes von bis zu 20 %. Für die Bemessung des Schmerzensgeldes werden in der Praxis sog. Schmerzensgeldtabellen verwandt. Sie dienen als Anhaltspunkt für die Höhe des möglichen Schmerzensgeldanspruches des Patienten. Der Schmerzensgeldanspruch des Patienten ist vererbbar. Treten nach der Rechtskraft eines Urteils nicht vorhersehbare Spätschäden auf, kann der Patient Schmerzensgeld von dem Schädiger und seiner Haftpflichtversicherung nachfordern. Vorsicht: Dies gilt jedoch bei einem Abfindungsvergleich nicht ohne weiteres.

 

Tierarzthaftung:

Auch hier muss der Tierhalter den Behandlungsfehler beweisen. Die Beweislast kehrt sich bei einem groben Behandlungsfehler oder einer Beweismittelvernichtung zu Lasten des Tierarztes um. Tierschäden sind nach dem Gesetz wie Sachschäden zu behandeln. Bei der Tötung eines Tieres aufgrund eines ärztlichen Fehlers müssen vom Schädiger die Anschaffungskosten des Tieres ersetzt werden. Schmerzensgeld kann jedoch nicht verlangt werden.

Verjährungsfristen im Medizinrecht:
 

unerlaubte Handlung/Haftung

 

  3 Jahre

 

bei Verjährungsverzicht

30 Jahre
 

privatärztliche Honorarforderung

3 Jahre
 

fahrlässige Tötung – § 222 StGB

 

Strafrecht 5 Jahre
 

fahrlässige Körperverletzung – § 229 StGB

 

Strafrecht 5 Jahre
 

unterlassene Hilfeleistung – § 323c StGB

 

Strafrecht 3 Jahre

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