Nach der neuen Rechtsprechung des EuGH, dem das Bundesarbeitsgericht folgt, ist der gesetzliche Mindesturlaub z.B. im Krankheitsfall unverfallbar. Nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin gilt die Unverfallbarkeit jedoch nicht für tariflichen und gesetzlichen Sonderurlaub (ArbG Berlin, Urteil vom 22.04.2009, Az: 56 Ca 21280/08).
Urteil im Volltext:
I. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 3.154,80 EUR brutto (in Worten: dreitausendeinhundertvierundfünfzig 80/100) brutto zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits z u3/5, das beklagte Land zu 2/5 zu tragen; bis auf die Kosten der Verweisung, die die Klägerin allein zu tragen hat.
IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.600,22 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung trotz mehrjähriger Arbeitsunfähigkeit.
Die am …1950 geborene, schwerbehinderte Klägerin war bei dem beklagten Land als Angestellte in einer Fünf-Tage-Woche tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft unstreitiger, nicht näher dargelegter Bezugnahme der BAT i.V.m. dem Anwendungstarifvertrag des beklagten Landes Anwendung.
Die Klägerin hatte im Jahr 2005 nach § 48 Abs. 1 BAT Anspruch auf einen tariflichen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen und nach § 125 SGB IX einen zusätzlichen Urlaubsanspruch von fünf Arbeitstagen. Im Jahr 2005 nahm die Klägerin in der Zeit vom 4. bis 29.07.2005 Urlaub. Die Klägerin war seit dem 23.08.2005 bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 23.08.2007 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend ab dem 01.02.2007 zuerkannt. Das beklagte Land teilte der Klägerin mit Schreiben vom 20.09.2007 mit, dass ihr Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 BAT mit Ablauf des 05.10.2007 beendet werde.
Die Klägerin begehrte mit Schreiben vom 13.09.2007 unter anderem „die Verrechnung v. Urlaubstagen“ und legte ihre „Urlaubskonten“ anbei. Mit Schreiben vom 04.01.2008 lehnte das beklagte Land eine Urlaubsabgeltung ohne Nachweis der Erlangung der Arbeitsfähigkeit ab. Dies lehnte die Klägerin mit unterschriebenem Schreiben vom 10.01.2008 ab und wiederholte darin unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 13.09.2007 ihr Begehren.
Mit ihrer beim Sozialgericht am 12.02.2008 eingereichten Klage, die dem beklagten Land 14.04.2008 zugestellt wurde, verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche – zuletzt vor dem Arbeitsgericht – weiter.
Die Klägerin begehrt die Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 – 2007: für das Jahr 2005 die Abgeltung von 15 Urlaubstagen, für das Jahr 2006 von 35 Urlaubstagen und für Januar 2007 von drei Urlaubstagen.
Die Klägerin beruft sich zuletzt auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit ein Urlaubsanspruch nicht verfallen könne. Die Klägerin behauptet, dass ihr Monatseinkommen 3.107,01 € brutto betragen habe.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 7.600,22 € brutto zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land behauptet, die Klägerin sei auch nach dem 05.10.2007 weiterhin anhaltend arbeitsunfähig erkrankt.
Es ist der Ansicht, dass ein Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung nicht bestehe, da die Klägerin auf Grund ihrer Arbeitsunfähigkeit einen Urlaub nicht habe und nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht hätte nehmen können. Der Urlaubsanspruch sei daher verfallen. Ohne Urlaubsanspruch gäbe es auch keinen Urlaubsabgeltungsanspruch. Dem EuGH-Urteil Sch.-H. sei nicht folgen. Wenn doch, nur im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch und unter Gewährung von Vertrauensschutz.
Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
Die Klägerin hat für die Jahre 2005 bis 2007 einen Abgeltungsanspruch nur für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch – soweit er geltend gemacht und nicht schon erfüllt worden ist. Dies für 22 Urlaubstage in Höhe von 3.154,80 € brutto i.V.m. §§ 1, 3 Abs. 1, §§ 4, 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. § 51 BAT.
I. Die Klägerin hat für das Jahr 2005 keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für das Jahr 2005 keinen Urlaubsanspruch mehr hatte, der abzugelten wäre. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch ist erfüllt. Der tarifliche und gesetzliche Mehrurlaubsanspruch ist nach § 47 Abs. 7 BAT am 30.06.2006 verfallen.
1. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch für das Jahr 2005 im Umfang von 20 Arbeitstagen ist durch die Gewährung von Urlaub in der Zeit vom 04. – 29.07.2005, d.h. im Umfang von 20 Urlaubstagen, erfüllt.
Die teilweise Urlaubsgewährung des beklagten Landes im Jahr 2005 erfolgte zur Erfüllung des gesetzlichen Mindesturlaubs. Mangels ausdrücklicher Leistungsbestimmung gilt die Auslegungsregel des § 366 Abs. 2 BGB. Nach dem Vortrag der Klägerin geht es hier allein um die Erfüllung des Urlaubs aus dem laufenden Urlaubsjahr. Wird ein laufender Jahresurlaubsanspruch durch Urlaubsgewährung nur teilweise erfüllt, ist davon auszugehen, dass zunächst der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nach dem BUrlG erfüllt werden soll (vgl. BAG [05.09.2002] – 9 AZR 244/01 – Rn. 68, NZA 2003, 726 (730)).
2. Der tarifvertragliche Mehrurlaub für das Jahr 2005 ist trotz des Urteils des EuGH [20.01.2009] – C-350/06 und C-520/06 <Sch.-H.>, NJW 2009, 495 – entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – auf Grund der dauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zum Ende des Übertragungszeitraumes nach § 47 Abs. 7 BAT verfallen.
2.1 Kann auf Grund einer Arbeitsunfähigkeit zum Ende eines Urlaubsjahres ein Urlaub im Urlaubsjahr nicht mehr genommen werden, wird der Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3 BUrlG auf das Folgejahr übertragen, verfällt jedoch dann am 31.03. des Folgejahres, § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG. Im hier vorliegenden Fall des § 47 Abs. 7 S. 3 BAT verlängert sich der Übertragungszeitraum bis zum 30. Juni des Folgejahres. Innerhalb der Frist nicht angetretener Urlaub verfällt, § 47 Abs. 7 S. 5 BAT.
2.1.1 Dem Verfall eines über den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch des § 3 Abs. 1 BUrlG hinausgehenden tarifvertraglichen oder anderweitigen gesetzlichen zusätzlichen Anspruches auf Gewährung von Erholungsurlaub, steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nicht entgegen. Nach Ansicht des EuGH, a.a.O. verbietet Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar den Verfall des gemeinschaftsrechtlichen Mindestjahresurlaubsanspruchs von vier Wochen. Weder Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG noch die EuGH-Entscheidung <Sch.-H.> betreffen jedoch einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Erholungsurlaub. Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG gewährleisteten und von § 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen übersteigen, können daher frei geregelt werden (vgl. ausführlich BAG [24.03.2009] – 9 AZR 983/07 – Rn. 81 ff.).
2.1.2 Was geregelt ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (BAG [24.03.2009] – 9 AZR 983/07 – Rn. 84 ff.; Gaul/Josten/Strauf, BB 2009, 497 (489 f.); Bauer/Arnold, NJW 2009, 631 (634)).
Nach Ansicht des BAG muss „für einen Regelungswillen der Parteien des Einzelarbeitsvertrags, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen unterscheidet, .. im Rahmen der Auslegung nach §§ 137, 157 BGB deutliche Anhaltspunkte bestehen“ (BAG [24.03.2009] – 9 AZR 983/07 – Rn. 84). Die Voraussetzungen der Annahme eines vom Gesetzesrecht abweichenden Regelungswillens lägen nur „ausnahmsweise“ vor (BAG, a.a.O., Rn. 85). Eine in Bezug genommene Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) sei in diesem Sinne zu untersuchen (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 85).
Diese Auffassung ist im letzten Punkt abzulehnen (vgl. aber im Vorfeld Gaul/Josten/Strauf, BB 2009, 497 (490)). Dabei geht es hier nicht um die Frage, ob eine im Einzelarbeitsvertrag geregelte Urlaubsbefristungsregelung auf Grund der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB im Fall dauernder Arbeitsunfähigkeit auch für arbeitsvertraglichen Mehrurlaub nicht greift (vgl. dazu Bauer/Arnold, NJW 2009, 631 (634)). Es geht auch nicht um die Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Bezugnahme(klausel) (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 86 ff.) – diese ist von der Klägerin schon gar nicht vorgetragen und im öffentlichen Dienst im Übrigen in der Regel unproblematisch. Es geht hier um die Auslegung der in Bezug genommenen Kollektivordnung. Da die KAVO zwar kein Tarifvertrag ist, jedoch wie ein Tarifvertrag auszulegen ist (vgl. LAG Düsseldorf [06.03.2007] – 8 Sa 1245/06 – Rn. 55, ZTR 2007, 373), verlangt das BAG der Sache nach, dass aus einer tarifvertraglichen Urlaubsbefristungsregelung eine Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen tarifvertraglichen positiv zu entnehmen sein muss.
Das BAG wendet zwar damit vermeintlich nur seine bisherige Rechtsprechung an (vgl. auch Gaul/Josten/Strauf, BB 2009, 497 (490)), verkehrt sie aber verdeckt wertungsmäßig in ihr Gegenteil. Nach der Rechtsprechung des BAG gilt die Verfallsregelung des § 7 Abs. 3 BUrlG auch für den tariflichen Mehrurlaub, wenn keine eindeutige anderweitige Regelung besteht (vgl. BAG [21.06.2005] – 9 AZR 200/04 – NJOZ 2006, 681 (683); BAG [10.02.2004] – 9 AZR 116/03 – NZA 2004, 986 (987)). Begründet wurde die Akzessorität bislang mit dem Argument: „Ohne hinreichende Anhaltspunkte kann nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien wollten arbeitsunfähige Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis wegen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente endet oder zum Ruhen kommt, besser stellen als die im aktiven Arbeitsverhältnis verbleibenden arbeitsunfähigen Arbeitnehmer“ (BAG [07.09.2004] – 9 AZR 587/03 – NJOZ 2005, 575 (576) m.w.N.).
Ging damit das BAG bisher von der Vermutung aus, dass in tarifvertraglichen Regelungen arbeitsunfähige Arbeitnehmer im Hinblick auf den Verfall ihrer Urlaubsansprüche nicht besser gestellt werden sollten als arbeitsfähige, geht das BAG jetzt von dem genauen Gegenteil aus (vgl. auch Leinemann, DB 2009, Nr. 8, I, der im EuGH-Urteil <Sch.-H.>, a.a.O. eine ungerechtfertigte Besserstellung arbeitsunfähiger Arbeitnehmer sieht). Im Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG muss man dies zwar nun anders sehen, weil der EuGH das so will. Das rechtfertigt aber nicht den Schluss darauf, dass Tarifvertragsparteien (schon immer) das wollten, was der EuGH nunmehr für diese überraschend will. Es ist daher in Tarifverträgen nicht nach Anhaltspunkten zu suchen, dass die gemeinschaftsrechtlich bedingte Unverfallbarkeit des Mindesturlaubsanspruchs sich nicht auch auf tariflichen Mehrurlaub erstreckt, sondern es ist danach zu fragen, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass arbeitsunfähige Arbeitnehmer über das zwingende gesetzliche Maß hinaus bessergestellt werden sollen.
2.1.3 Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, weil – wenn man mit dem BAG nach einem Anhaltspunkt für eine Unterscheidung zwischen gemeinschaftsrechtlichen Mindesturlaub und sonstigem Mehrurlaub im BAT suchen will – diesen auch im BAT findet.
Anders als in der Leitentscheidung BAG [24.03.2009] – 9 AZR 983/07 findet sich in der Parallelvorschrift § 47 Abs. 7 BAT allerdings keine zu § 36 Abs. 8 letzter Halbsatz KAVO vergleichbare Regelung. Für das BAG, a.a.O. war es entscheidend und ausreichend, dass § 36 Abs. 8 letzter Halbsatz KAVO beinhaltete: „verfällt, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist“. Eine solche Regelung findet sich in § 47 Abs. 7 BAT nicht. Dies lässt aber keinen Umkehrschluss zu, da die KAVO lediglich auf neuere gesetzliche Regelungen reagiert, die für den älteren BAT kein Thema waren.
Eine vom BAG erwünschte erkennbare Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen ergibt sich jedenfalls mittelbar aus der Urlaubsabgeltungsregelung des § 51 Abs. 1 S. 3 BAT, wonach in den dort genannten Fällen (fristlose Arbeitgeberkündigung, Arbeitsvertragsbruch) dem Angestellten nur ein Urlaubsanspruch „nach gesetzlichen Vorschriften“ zustehen soll. Das ist nicht viel, aber auch nicht weniger an Anhaltspunkt als der vom BAG aufgegriffene oben zitierte Halbsatz in § 36 Abs. 8 KAVO.
3. Auch der gesetzliche zusätzliche Erholungsurlaub nach § 125 SGB IX für das Jahr 2005 ist verfallen. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und die EuGH-Entscheidung <Sch.-H.>, a.a.O. betreffen nicht den Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX (vgl. auch Gaul/Josten/Stauf, BB 2009, 497 (490); Subatzus, DB 2009, 510 (512)). Wenn LAG Düsseldorf [02.02.2009] – 12 Sa 486/06 – Rn. 118, ZTR 2009, 149 dies anders sieht, erfolgt in dem einen Satz dazu keine Begründung.
§ 125 SGB IX dient auch nicht der Umsetzung sonstigen EU-Rechts. Dies ist nicht ersichtlich und wird auch nicht diskutiert (vgl. Erfurter Kommentar/Rolfs, 9. Aufl. [2009], SGB IX § 125 Rn. 1; Faber, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX [2009], § 125 Rn. 2; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. [2005], § 125 Rn. 1 ff.).
Der Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX unterliegt damit den allgemeinen Grundsätzen des Urlaubsrechts (BAG [21.02.1995] – 9 AZR 166/94 – Rn. 14, NJW 1996, 76 (noch für § 47 SchwbG); Erfurter Kommentar/Rolfs, a.a.O., Rn. 2; Faber, a.a.O., Rn. 3). Dies gilt auch für § 7 BUrlG (Faber, a.a.O., Rn. 4). Die Ausnahmen des § 125 Abs. 2, 3 SGB IX insoweit sind hier nicht von Belang.
Fehlt es an günstigeren Regelungen verfällt ein Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX wie der Urlaub nach dem BUrlG mit dem laufenden Kalenderjahr, im Fall der gesetzlichen Übertragung spätestens am 31.03. des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 BUrlG) (Pahlen, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.; Neumann/Fenski, BUrlG, 9. Aufl. [2003], SGB IX Rn. 29; vgl. auch BAG [21.02.1995] – 9 AZR 166/94 – Rn. 14, NJW 1996, 76). § 47 Abs. 7 BAT verlängert nur den Übertragungszeitraum hier bis zum 30. Juni des Folgejahres.
Für eine Besserstellung dauerhaft erkrankter arbeitsunfähiger Arbeitnehmer besteht kein Anhaltspunkt. Verlangt man mit dem BAG einen Anhaltspunkt für eine Gleichbehandlung arbeitsfähiger und arbeitsunfähiger Arbeitnehmer – technisch: eine Differenzierung zwischen dem gesetzlichen nicht tarifdispositiven Mindesturlaub und dem sonstigen Mehrurlaub – kann man diesen in § 51 Abs. 1 S. 3 BAT finden.
II. Für das Jahr 2006 hat die Klägerin einen Anspruch auf Abgeltung ihres gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs von 20 Arbeitstagen. Weitergehende Ansprüche sind am 30.06.2007 verfallen.
1. Der gesetzliche Mindestanspruch auf Erholungsurlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG für das Jahr 2006 im Umfang von 20 Arbeitstagen ist nicht nach § 47 Abs. 7 BAT verfallen und daher nach § 51 BAT abzugelten. Einem Erlöschen des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs steht Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG in der maßgeblichen Auslegung des EuGH im Schultz-Hoff-Urteil, a.a.O. entgegen. § 7 Abs. 3 BUrlG (vgl. BAG [24.03.2009] – 9 AZR 983/07, Rn. 57 ff., 66) und entsprechend ebenso auch § 47 Abs. 7 BAT sind in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung teleologisch zu reduzieren.
Das beklagte Land genießt für das Urlaubsjahr 2006, bis zum 30.06.2007 zu übertragen, keinen Vertrauensschutz. Nach dem Urteil Sch.-H. des EuGH nicht (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 70) und nach dem Urteil des BAG auch nicht (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 71 ff.). Zeitlich nicht, weil das BAG allenfalls für die Zeit vor Bekanntwerden des Vorlagebeschlusses des LAG Düsseldorf vom 02.08.2006 Vertrauensschutz gewährt (BAG, a.a.O., Rn. 76). Grundsätzlich nicht, weil sich die Klägerin gegenüber dem beklagten Land als öffentliche Hand unmittelbar auf Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG berufen kann (vgl. auch Bauer/Arnold, NJW 2009, 631 (633)), der EuGH für Gemeinschaftsrecht ein Vertrauensschutzmonopol hat (vgl. BAG [27.06.2006] – 3 AZR 352/05 (A) – Rn. 55, NZA 2006, 1276), jedoch im Urteil Sch.-H. keinen Vertrauensschutz gewährt hat.
Die Klägerin hat ihren Abgeltungsanspruch auch innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist nach § 70 BAT geltend gemacht. Es kann hier offen bleiben, ob im Hinblick auf die Sch.-H.-Entscheidung des EuGH die bisherige Rechtsprechung des BAG zur weitgehenden Unanwendbarkeit tariflicher Ausschlussfristen im Urlaubsrecht zu überdenken ist (vgl. Bauer/Arnold, NJW 2009, 631 (634 f.)). Es bleibt jedenfalls dabei, dass ein wegen dauernder durchgehender Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbarer Urlaubsanspruch nicht erfüllt und damit auch nicht fällig werden und mangels Fälligkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses auf Grund einer Ausschlussfrist auch nicht verfallen kann.
Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der Naturalanspruch in einen Abgeltungsanspruch um, § 7 Abs. 4 BUrlG, § 51 Abs. 1 BAT. Hier wurde dieser daher entweder am Ende des Arbeitsverhältnisses am 5.10.2007 fällig oder – bei Anwendung der Surrogatstheorie des BAG (trotz dem relativierenden Argument in BAG [24.03.2009] – 9 AZR 983/07 – Rn. 62 dem Urteil zugrunde liegend und durch die EuGH-Entscheidung <Sch.-H.>, a.a.o. nicht infrage gestellt; vgl. aber LAG Düsseldorf [02.02.2009] 12 Sa 486/06) – mit dem Ende des Übertragungszeitraumes am 30.06.2008. Bei einer Fälligkeit schon am Ende des Arbeitsverhältnisses, d.h. am 5.10.2007, ist die Ausschlussfrist spätestens durch das Schreiben vom 10.01.2008, auf das vorfällige, genügend bestimmte Schreiben vom 13.07.2007 Bezug nehmend, gewahrt. Bei einer Fälligkeit erst am Ende des Übertragungszeitraumes am 30.06.2008 jedenfalls durch die am 14.04.2008 erhobene Klage.
2. Der tarifvertragliche und nach § 125 SGB IX zu gewährende zusätzliche Anspruch auf Gewährung von Erholungsurlaub ist nach den schon oben zu I.1. ausgeführten Gründen mit Ablauf des Übertragungszeitraums hingegen gemäß § 47 Abs. 7 BAT am 30.06.2007 verfallen.
III. Für das Jahr 2007 hat die Klägerin einen Urlaubsabgeltungsanspruch nur anteilig Urlaubsanspruch für Januar 2007 geltend gemacht. Der gesetzliche Urlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen beläuft sich anteilig auf 1,66 Urlaubstage, nach § 48 Abs. 5 BAT auf zwei Urlaubstage aufgerundet. Ein über den gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehender tariflicher oder gesetzlicher Urlaubsanspruch ist nach dem Vorhergesagten nach § 47 Abs. 7 BAT i.V.m. der Surrogatstheorie des BAG mit Ablauf des 30.06.2008 verfallen. Von einer bis dahin andauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ist i.V.m. § 138 Abs. 3 ZPO auszugehen.
IV. Hat die Klägerin somit nach § 51 Abs. 1 BAT einen Urlaubsabgeltungsanspruch für 22 Urlaubstage führt dies auf der Grundlage eines nicht näher bestrittenem Monatseinkommen der Klägerin i.H.v. 3.107,01 € brutto der Höhe nach i.V.m. § 51 Abs. 2 BAT zu einem Urlaubsabgeltungsanspruch i.H.v. 3.154,80 € brutto.
V. Die Parteien haben im Verhältnis ihres Unterliegens gemäß § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Verweisungskosten hat die Klägerin nach § 17b Abs. 2 S. 2 GVG alleine zu tragen. Der nach § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Urteilsstreitwert bestimmt sich nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.