Im Jahre 2008 wurden in Deutschland Vermögenswerte mit einem Wert in Höhe von 205 Milliarden Euro vererbt. Die erbrechtlichen Regelungen wurden nunmehr zum 01.10.2010 teilweise geändert (BT-Drucks. 16/8954). Die Änderungen gelten für alle Erbfälle, die ab dem 01.01.2010 eintreten, auch wenn sie an Sachverhalte anknüpfen, die bereits vor dem 01.01.2010 entstanden sind.
1. Pflichtteilsentziehung: Nach den gesetzlichen Regelungen bis zum 31.12.2009 kann einem Abkömmling der Pflichtteil entzogen werden, wenn er dem Erblasser oder seinem Ehegatten nach dem Leben trachtet oder gegenüber diesen eine vorsätzliche Misshandlung begeht, sich eines Verbrechens/schweren Vergehens gegenüber diesen schuldig macht oder einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt (vgl. § 2333 BGB).Nach den neuen gesetzlichen Regelungen ab dem 01.01.2010 kann einem Abkömmling der Pflichtteil entzogen werden, wenn
– er dem Erblasser oder seinem Ehegatten, Lebenspartner, Stiefkind oder Pflegekind nach dem Leben trachtet;
– er gegenüber den vorgenannten Personen eine vorsätzliche Misshandlung begeht;
– er seine gegenüber dem Erblasser bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht böswillig verletzt;
– er wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist;
– er in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer schwerwiegenden vorsätzlichen Tat untergebracht wird.
2. Schenkungen und Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB: Der Erblasser kann zu Lebzeiten sein Vermögen an Erben oder an Dritte verschenken. Mindert der Erblasser zu seinen Lebzeiten sein Vermögen durch Schenkungen, soll er mit diesen nicht die Pflichtteilsansprüche naher Angehöriger am Nachlass verringern oder vereiteln. Nach den gesetzlichen Regelungen bis zum 31.12.2009 kann der Pflichtteilsberechtigte über einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren verlangen, dass das verschenkte Vermögen in die Berechnung seines Pflichtteilsanspruchs in voller Höhe berücksichtigt wird.Nach den neuen gesetzlichen Regelungen zum 01.01.2010 wird die Schenkung innerhalb des 1. Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils 1/10 verringert (1. Jahr 100 %, 2. Jahr 90 %, 3. Jahr 80 % usw.). Sind 10 Jahre nach der Schenkung vergangen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Schenkungen an Ehegatten werden schlechter gestellt. Die 10-Jahresfrist beginnt für diese erst mit der Ehescheidung oder dem Tod des Ehegatten.Die vorgenannten Ausführungen gelten nicht für Immobilien, bei denen der Schenker ein Nutzungsrecht (z.B. Wohnrecht) behält.
3. Stundung bei Pflichtteilsauszahlungen: Pflichtteilsansprüche sind sofort fällig und durch die Erben entsprechend auszuzahlen. Dies kann dazu führen, dass die Erben Notverkäufe tätigen müssen, um die Pflichtteilsansprüche bedienen zu können. Nach den gesetzlichen Regelungen bis zum 31.12.2009 ist Voraussetzung für eine Stundung der Auszahlungspflicht eine ungewöhnliche Härte. Den Stundungsantrag konnten nur Erben stellen, denen auch ein Pflichtteilsanspruch zusteht. Nach der gesetzlichen Neuregelung zum 01.01.2010 (vgl. § 2331 a BGB) können nunmehr alle Erben einen Stundungsantrag beim Nachlassgericht stellen und ihre Interessen sind hierbei angemessen zu berücksichtigen. Das Nachlassgericht kann die Stundung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder eine Ratenzahlung bewilligen.
4. Ausgleich für Pflegeleistungen: Nach den gesetzlichen Regelungen bis zum 31.12.2009 können Kinder die Pflegeleistungen für ihre Eltern erbracht haben, einen entsprechenden Ausgleichanspruch aus dem Erbe fordern. Hierzu musste die Pflege jedoch unter Verzicht auf ein berufliches Einkommen vorgenommen worden sein.Ab dem 01.01.2010 haben Kinder, Enkel oder Urenkel einen Anspruch auf den Ausgleich der von ihnen erbrachten Pflegeleistungen, unabhängig davon, ob sie ihren Beruf aufgegeben oder die Pflegeleistungen unter Verzicht auf ein berufliches Einkommen vorgenommen haben (vgl. § 2057a BGB). Es soll hierdurch die Doppelbelastung von Beruf und Pflegeleistung ausgeglichen werden. Diesbezüglich wird es in Zukunft unter den Erben sicherlich zu Auseinandersetzungen kommen. Man sollte sich daher die Pflegeleistungen durch den Erblasser bestätigen lassen oder den Erblasser bitten, dass die Pflegeleistungen im Testament entsprechend berücksichtigt werden.
5. Erbausschlagung: Nach den gesetzlichen Regelungen bis zum 31.12.2009 verliert ein Erbe seinen Pflichtteilsanspruch, wenn er das Erbe ausschlägt. Ist das Erbe mit Beschränkungen und Beschwerungen belastet (vgl. § 2306 BGB), so kann der Erbe ab dem 01.01.2010 dieses innerhalb von 6 Wochen nach Kenntnis vom Erbfall gegenüber dem Nachlassgericht ausschlagen und erhält nunmehr trotzdem seinen gesetzlichen Pflichtteil am Erbe.
6. Verkürzung der Verjährungsfristen: Zum01.01.2010 wird im Erbrecht nunmehr ebenfalls die generelle Regelverjährungsfrist von 3 Jahren (bis auf wenige Ausnahmen z.B.: bei dem Herausgabeanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer oder den Vorerben, hier verbleibt es bei der Verjährungsfrist von 30 Jahren) eingeführt.