Die ärztliche Schweigepflicht reicht auch über den Tod des Patienten hinaus. Fehlt es an einer Willenserklärung des verstorbenen Patienten zu Lebzeiten, so ist der mutmaßliche Wille des Verstorbenen zu erforschen. Geht ein mutmaßlicher Wille des Verstorbenen eindeutig dahin, dass er unter Berücksichtigung seines wohlverstandenen Interesses auf eine weitere Geheimhaltung verzichten würde, so steht dem Zeugen ein Verweigerungsrecht aus § 385 Abs. 2 ZPO nicht zu.
Die Entscheidung, ob der Patient den Arzt mutmaßlich von der Schweigepflicht entbunden hätte, obliegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Arzt. Der Arzt kann und muss auch gegenüber nahen Angehörigen und gegebenenfalls auch gegenüber der Krankenkasse des Verstorbenen die Aussage verweigern, soweit er sich bei gewissenhafter Prüfung seiner gegenüber dem Verstorbenen fortwirkenden Verschwiegenheitspflicht an der Preisgabe gehindert sieht. Sofern von der ärztlichen Schweigepflicht her ernstliche Bedenken gegen die Offenbarung der der ärztlichen Schweigepflicht unterliegenden Tatsachen bestehen, kommt der Wahrung des Arztgeheimnisses der Vorrang zu. Der Arzt hat aber gewissenhaft zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verstorbene die vollständige oder teilweise Offenlegung des Behandlungsgeschehens gegenüber seinen Hinterbliebenen bzw. Erben bzw. seiner Krankenkasse mutmaßlich missbilligt haben würde (OLG München, Beschluss vom 19.09.2011, Az: 1 W 1320/11).