Als Rechtsanwalt trifft man zwangsläufig auf unterschiedlichste Charaktere. Dies kann zwar mitunter stressig werden, prägt und kultiviert jedoch meistens die Empathie. Selbst wenn man denkt, man habe schon viel erlebt, viel gehört und vor allem viel gelesen, ist es umso erfreulicher, wenn man merkt, dass dem gerade nicht so ist. Es erscheint im höchsten Maße erheiternd und lässt die grauen Stunden des pragmatischen Gedankenaustausches in weite Ferne rücken, wenn man folgende Schreiben – jedoch teilweise orthografisch korrigiert – lesen darf:
„Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, ich denk mir, dass Ihre Mandantin wie unter A 3 erwähnt ,derzeit – salopp formuliert – etwas von der Rolle ist. Typisch wohl für Frauen um die 50.Wenn denn dann die Midlife Crisis auf einmal da ist und die ersten Krähen versuchen in den neben der Nase liegenden Arealen ,oberhalb der Augen, mit Ihren Füssen Halt zu finden. So hörte sich jedenfalls der Gesprächsversuch von XX an. Eine wilde Aneinanderreihung von zusammenhanglosen Wortsilben gepaart mit pfeifenden asthmatischen Tönen dokumentierten eine wahrlich wohl überforderte hektische Anruferin. Ein sachliches Gespräch war absolut nicht möglich.“
Derartige als wahrhaftig literarische Ergüsse zu bezeichnende Schriftsätze zählen ungeachtet der Tatsache der in aller Regel auf Sachlichkeit getrimmten außergerichtlichen Korrespondenz als nahezu imposante und willkommene Abwechslung. Ungeachtet des wohl unzweifelhaften beleidigenden Charakters, lassen derartige – zwar in redundanter Manier, dafür jedoch in heiterer Art verfasste Schreiben, jeden humorvollen Leser in Erfurcht erstarren – ändern in der Sache selbst jedoch – man möchte fast sagen bedauerlicherweise – nichts daran, dass solche Wortschwalle in formaljuristischer Hinsicht keinerlei Relevanz und Erfolg haben… Denn eine B-Note für den schönsten Text wurde bislang vom BGH noch nicht anerkannt.
Dem Verfasser des Scheibens wünscht man nunmehr alles erdenklich Gute für die zweite Karriere: als Moderator der wohl beliebten Sendung „Das literarische Solo – von mir für mich in Liebe ich“.