OLG München, Az.: 23 U 3798/11, Urteil vom 26.01.2012
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 21.07.2011 aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Auf die Feststellungen des Landgerichts wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Gründe
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Dem Kläger stehen keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu.
1. Soweit das Landgericht die Beklagte zum Schadensersatz für den Monat Juni 2010 verurteilt hat, ist die Berufung der Beklagten schon deshalb erfolgreich, weil sich die Klageforderung nicht auf diesen Monat bezog und somit ein Verstoß gegen § 308 ZPO vorliegt. Der Kläger hat seine offene Teilklage ausdrücklich auf die Monate März bis Mai 2010 gestützt, nur über diesen Zeitraum konnte daher entschieden werden.
2. Dem Kläger stehen auch keine Schadensersatzansprüche für die Monate April bis Mai 2010 zu.
Ansprüche für die Monate April bis Mai 2010 scheiden aus, da die Beklagte den Handelsvertretervertrag mit E-Mail vom 06.02.2010 wirksam zum 31.03.2010 gekündigt hat. Grundsätzlich kann die Kündigung eines Handelsvertretervertrages formlos, also sogar konkludent erfolgen (Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 89 Rn. 15). Die Parteien können jedoch vertraglich etwas anderes vereinbaren. Dies ist hier der Fall. In § 10 Nr. 1 des Handelsvertretervertrages ist geregelt, dass die ordentliche Kündigung schriftlich zu erfolgen hat. Nach § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB genügt allerdings zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form auch die telekommunikative Übermittlung, soweit kein anderer Wille der Parteien anzunehmen ist. Danach genügt grundsätzlich auch eine Erklärung per E-Mail, sofern aus der Erklärung erkennbar ist, von wem sie abgegeben wurde (so Ellenberger in Palandt, BGB, 71. Auflage 2012, § 127 Rz. 2; Einsele in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2010, § 127 Rz. 10; Jauernig, BGB, 13. Auflage 2009, §127 Anm. b; Wendtland in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, § 127 Rz. 4). Soweit in der erstinstanzlichen Rechtsprechung (LG Köln, Urteil vom 07.01.2010, zitiert nach juris Tz. 46) die Ansicht vertreten wird, per E-Mail könne nur eine eingescannte, eigenhändig unterschriebene Erklärung formwirksam nach § 127 Abs. 2 BGB übermittelt werden, vermag der Senat dem nicht zu folgen: Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, dem modernen technischen Standard und der verbreiteten Praxis Rechnung zu tragen. Zugelassen werden sollten daher auch moderne Möglichkeiten der Telekommunikation zur Übermittlung von Nachrichten, die Telegramm oder Telefax ganz oder teilweise verdrängt haben, wie etwa E-Mail oder Computerfax (s. BT-Drucks 14/4987, S. 20). Dem wird die vom LG Köln (aaO.) vertretene Ansicht nicht gerecht. Im Geschäftsverkehr ist es gerade nicht üblich, vor Versendung per E-Mail die Erklärung auszudrucken, handschriftlich zu unterschreiben, einzuscannen und dann zu versenden. Durch ein derartiges Vorgehen wird der Vorteil der E-Mail gegenüber dem Telefax, die einfachere Erstellung und Versendung, zumindest teilweise wieder beseitigt. Auch lässt sich dem Wortlaut von § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht entnehmen, dass ein eigenhändig unterschriebenes Dokument vorab gefertigt werden müsste.
Der Senat verkennt nicht, dass eine E-Mail ohne elektronische Signatur per se keine Gewähr dafür bietet, dass der als Verfasser der E-Mail Genannte diese auch tatsächlich erstellt und versendet hat. Es ist daher, worauf in der Literatur zutreffend hingewiesen wird (Hertel in: Staudinger, BGB, Kommentar, Neubearbeitung 2004, § 127 Rz. 36; Bloching/Ortlof, BB 2011, S. 2571, 2573), in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob ein anderer Wille der Parteien anzunehmen ist und eine einfache E-Mail daher nicht genügen soll. Ob der vorbezeichneten Literaturmeinung allerdings soweit zu folgen ist, dass entgegen dem Willen des Gesetzgebers und dem Wortlaut von § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB im Zweifel eine einfache E-Mail nicht dem gewillkürten Schriftformerfordernis genügt, erscheint fraglich. So hat die höchstrichterliche Rechtsprechung schon zu § 127 BGB a.F. entschieden, dass die gewillkürte Schriftform trotz Fehlens einer Unterschrift gewahrt ist, wenn gleichwohl die mit der Formvereinbarung bezweckte Klarheit erreicht wird (BGH NJW-RR 1996, S. 641, 642).
Jedenfalls im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass als schriftliche Kündigung nach §10 des Handelsvertretervertrages vom 02.02.2010 (Anlage K 2) die E-Mail vom 06.02.2010 ausreicht. Dafür spricht bereits, dass die Parteien im vorherigen Handelsvertretervertrag vom 25.09.2009 (Anlage K 1) in § 8 noch eine Kündigung per eingeschriebenen Brief gefordert haben. Im nachfolgenden Vertrag sollte das Formerfordernis daher offensichtlich herabgesetzt werden. Zudem ist im Handelsvertretervertrag Anlage K 2 für eine außerordentliche Kündigung überhaupt kein Formerfordernis vorgesehen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass für eine weniger weitgehende und schwerwiegende ordentliche Kündigung nicht auch die Erklärung per E-Mail genügen sollte. Schließlich ergibt sich aus der Anlage B 3, insbesondere auch der E-Mail des Klägers an die Beklagte vom 26.02.2010, dass die Kommunikation per E-Mail zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten durchaus üblich war. Dabei gab es zwischen den Parteien auch keine Unklarheiten darüber, von wem die E-Mail vom 06.02.2010 stammte. Die mit der Schriftformklausel bezweckte Klarheit wurde daher auch durch eine einfache E-Mail erreicht. Im Übrigen hat der Kläger die Kündigung wegen Nichteinhaltung der Schriftform auch nicht in unmittelbarem Anschluss an den Erhalt der Email zurückgewiesen, sondern mit seiner Rüge rund 2 Monate zugewartet.
3. Dem Kläger steht auch kein Zahlungsanspruch für März 2010 zu: Die Kündigung der Beklagten vom 06.02.2010 ist zwar erst zum 31.03.2010 wirksam geworden. Ein Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns aus §§ 280, 281 BGB besteht für März 2010 aber ebenfalls nicht. Der Kläger hat zum einen selbst vorgetragen, er habe im März 2010 Urlaub genommen und die ihm noch im Februar übermittelten Kundenadressen seien von einem Kollegen aufgesucht worden. Eine ausdrückliche Vereinbarung, dass dem Kläger bezahlter Urlaub zustehen würde, ergibt sich aus dem Handelsvertretervertrag (Anlage K 2) nicht. § 11 BUrlG findet für den Kläger mangels Arbeitsnehmereigenschaft keine Anwendung. Zum anderen hat der Kläger, worauf auch das Landgericht zutreffend abstellt, die Beklagte erst mit Schreiben vom 26.04.2010 (Anl. B 4) aufgefordert, ihm erneut Verkaufstermine zukommen zu lassen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 2 ZPO.