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Nachbarschaftliches Gefälligkeitsverhältnis – Haftung für Wasserschaden

OLG Koblenz, Az: 3 U 1468/14, Urteil vom 07.07.2015

Anmerkung: Dieses Urteil wurde inzwischen aufgehoben (Siehe: BGH, Az.: VI ZR 467/15, Urteil vom 26.04.2016)

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Koblenz vom 25. November 2014 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht wegen eines Wasserschadens in Anspruch, der am Haus ihres Versicherungsnehmers …[A], dem Nachbarn des Beklagten, entstanden ist und den sie als Gebäudeversicherer reguliert hat.

Während eines Kuraufenthalts seines Nachbarn …[A] (nachfolgend: Nachbar) übernahm es der Beklagte, dessen Haus zu versorgen. Hierzu gehörte u.a. auch die Bewässerung des Gartens.

Am 29. Juni 2011 bewässerte der Beklage den Garten mit einem an eine Außenzapfstelle des Hauses montierten Wasserschlauch. Nach der Bewässerung drehte er die am Schlauch befindliche Spritze zu, stelle aber nicht die Wasserzufuhr zum Gartenschlauch ab. In der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 2011 löste sich der weiter unter Wasserdruck stehende Schlauch aus der Spritze. In der Folge trat aus dem Schlauch eine erhebliche Menge Leitungswasser in das Gebäude des Nachbarn und führte zu Beschädigungen im Untergeschoss. Die Klägerin leistete Entschädigungszahlungen und macht gegen den Beklagten einen Anspruch in Höhe des Zeitwertschaden von 11.691,53 € geltend.

Der Beklagte ist für Schäden bei Nachbarschaftshilfe und Gefälligkeitshandlungen privat haftpflichtversichert. Die Privathaftpflichtversicherung lehnte eine Regulierung ab.

Die Parteien streiten darüber, ob von einer Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auszugehen ist und ob der Beklagte grob fahrlässig gehandelt hat.

Der Beklagte hat geltend gemacht, er und sein Nachbarn wässerten seit vielen Jahren wechselseitig bei Abwesenheit ihre Gärten. Er habe einmalig vergessen, den Wasserhahn an der Außenzapfstelle zuzudrehen. Das bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen. Der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt, als er den zuvor geöffneten Wasserhahn nicht wieder verschlossen habe.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 11.691,53 € nebst Zinsen zu zahlen. Es könne nicht von einem stillschweigenden Haftungsausschluss ausgegangen werden, weil der Beklagte haftpflichtversichert sei.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Er beantragt, das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 25. November 2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin steht ein Erstattungsanspruch aus § 86 Abs. 1 VVG nicht zu, weil keine übergegangenen Ansprüche ihres Versicherungsnehmers gegen den Beklagten gem. § 823 Abs. 1 BGB bestehen.

1.

Zwischen dem Beklagten und seinem Nachbarn bestand ein reines Gefälligkeitsverhältnis. Der Beklagte ist durch die Bereitschaft, den Garten seines Nachbarn während dessen Abwesenheit zu wässern, keine rechtliche Verpflichtung eingegangen. Es handelt sich um eine in nachbarschaftlichen Beziehungen begründete Gefälligkeit des täglichen Lebens (zum Gefälligkeitsverhältnis unter Nachbarn: OLG Koblenz, Urteil vom 11. Oktober 2001 – 5 U 570/01, NJW-RR 2002, 165; LG Hamburg, Urteil vom 9. September 1988 – 17 S 195/88, VersR 1989, 468; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 74. Aufl., vor § 241 Rdn. 8 f.).

2.

Mangels vertraglicher Rechtsbeziehungen kommt als Haftungsgrundlage für den hier eingetretenen Schaden, der bei der Ausführung des Gefälligkeitsverhältnisses verursacht wurde, grundsätzlich nur § 823 Abs. 1 BGB in Frage (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26. Mai 1987 – 9 U 331/86, NJW-RR 1987, 1109 f.; OLG Koblenz, Urteil vom 11. Oktober 2001 – 5 U 570/01, NJW-RR 2002, 595). Gefälligkeiten, denen das Fehlen eines Rechtsbindungswillens eigen ist, haben zur Folge, dass vertragliche Ansprüche zwischen den Beteiligten ausgeschlossen sind (BGH, Urteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, NJW 1992, 2474).

3.

Der Beklagte hat den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt. Das Versäumnis, am 29. Juni 2011 den Außenwasserhahn zu schließen, war rechtlich erheblich, weil den Beklagten insoweit eine Handlungspflicht traf, wobei dahin stehen kann, ob sich diese Handlungspflicht unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz dadurch ergab, weil der Beklagte die Wasserleitung zuvor zum Zwecke des Wässerns des Gartens geöffnet hatte. Denn jedenfalls hatte der Beklagte alles zu unterlassen, was zu einer Schädigung des Nachbarn führte.

4.

Die Haftung des Beklagten ist jedoch ausgeschlossen, da er nur einfach fahrlässig gehandelt hat (mittlere Fahrlässigkeit), seine Haftung aber auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist.

a) Ausdrücklich ist über eine Haftungsbeschränkung zwischen dem Beklagten und seinem Nachbarn nicht gesprochen worden. Der Beklagte ist auch nicht generell privilegiert, weil er unentgeltlich im Wege der Nachbarschaftshilfe tätig geworden ist. Die Vorschriften der §§ 521, 599, 690 BGB sind auf das Gefälligkeitsverhältnis nicht anwendbar, weil bei dem ebenfalls unentgeltlichen Auftrag eine solche gesetzliche Haftungsbeschränkung fehlt (BGH, Urteil vom 22. Juni 1956 – I ZR 198/54, BGHZ 21, 102 ff.; Urteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, NJW 1992, 2474, 2475; zur Unanwendbarkeit des § 708 BGB für die Pflichten im Straßenverkehr vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08, NJW 2009, 558).

Der durch das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts vom 21. März 2013 (Ehrenamtsstärkungsgesetz) neugefasste § 31 a BGB, nach dem Organmitglieder oder besondere Vertreter dem Verein für einen bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haften, ist auf eine unentgeltliche Tätigkeit im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses ebenfalls nicht entsprechend anwendbar. § 31 a BGB soll die ehrenamtliche Übernahme von Leitungsfunktionen in Vereinen fördern und das bürgerschaftliche Engagement stärken (BT-Drucks. 16/10120 S. 7). Der Gesetzgeber hat die Privilegierung des § 31 a BGB bewusst auf den Verein beschränkt (so auch Leuschner, NZG 2014, 281). Die unentgeltliche Tätigkeit im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses ist mit der eines ehrenamtlichen Organmitglieds oder besonderen Vertreter eines Vereins nicht vergleichbar.

Schließlich ist für die unentgeltliche Gefälligkeit im Rahmen der Nachbarschaftshilfe auch nicht die Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1995 – VIII ZR 41/95, BGHZ 131, 288 ff.; Urteil vom 8. November 2000 – IV ZR 298/99, BGHZ 145, 393 ff.) zur stillschweigenden Beschränkung der Haftung des Mieters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bei Verursachung von Brandschäden im Hinblick auf dessen mietvertragliche Verpflichtung, die (anteiligen) Kosten der Gebäudefeuerversicherung des Wohnungseigentümers zu zahlen, einschlägig.

b) Vorliegend ist jedoch von einer stillschweigenden Abrede des Beklagten und seines Nachbarn auszugehen, nach der die Haftung des Beklagten für einfache (mittlere) Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist (§ 242 BGB).

aa) Unter besonderen Umständen ist nach allgemeiner Ansicht, der sich der Senat anschließt, ein stillschweigender Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit des Gefälligen anzunehmen. Eine derartige Haftungsbeschränkung kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB jedoch nur ganz ausnahmsweise angenommen werden; sie stellt eine künstliche Rechtskonstruktion aufgrund einer Willensfiktion dar, da sie von einem Haftungsverzicht ausgeht, an den beim Abschluss der Vereinbarung niemand gedacht hat. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass der Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, einen Haftungsverzicht gefordert und sich der Geschädigte dem ausdrücklichen Ansinnen einer solchen Abmachung billigerweise nicht hätte versagen können (vgl. statt aller: BGH, Urteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, NJW 1992, 2474 = VersR 1992, 1145, 1147; Urteil vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08, NJW 2009, 1482 = VersR 2009, 558; jeweils m.w.N.).

bb) Eine solche Haftungsbeschränkung hat der Bundesgerichtshof stets nur beim Hinzutreten besonderer Umstände gelten lassen. Er hat maßgeblich auf die versicherungsrechtlichen Gegebenheiten abgestellt (BGH, Urteil vom 14. November 2002 – III ZR 87/02, BGHZ 152, 391 ff.) und angenommen, dass das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes für den Schädiger regelmäßig gegen eine Haftungsbeschränkung spreche. Denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Schädiger, sondern den Haftpflichtversicherer entlaste, entspreche in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten.

In allen von dem Bundesgerichtshof entschieden Fällen, in denen er die Annahme einer Haftungsbeschränkung abgelehnt hat, handelte es sich – soweit ersichtlich – um Unfälle im Straßenverkehr, bei denen ein unentgeltlich mitgenommener Fahrgast verletzt wurde und eine Kfz-Haftpflichtversicherung bestand (BGH, Urteil vom 14. März 1961 – VI ZR 189/59, BGHZ 34, 355 ff.;Urteil vom 11. Februar 1964 – VI ZR 271/62, BGHZ 41, 79 ff; Urteil vom 8. Januar 1965 – VI ZR 234/63, BGHZ 43, 72 ff.; Urteil vom 18. Dezember vom 18. Dezember vom 18. Dezember 1979 – VI ZR 52/78, NJW 1980, 1681 f.; Urteil vom 10. Juli 1974 – IV ZR 212/72, BGHZ 63, 51 ff.; Urteil vom 29. Januar 2008 – VI ZR 98/07, NJW 2008, 1591 = VersR 2008, 540), den Schädiger eine Gefährdungshaftung traf und eine Tierhaltversicherung abgeschlossen war (Haftung des Pferdehalters für Verletzung des Reiters, Urteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, NJW 1992, 2474 = VersR 1992, 1145) oder eine Berufshaftpflichtversicherung eintrat (Urteil vom 14. November 2002 – III ZR 87/02, BGHZ 152, 391 ff.). Eine Haftungsbeschränkung wurde hingegen angenommen, wenn der Schädiger, keinen Versicherungsschutz genießt, für ihn ein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko gegeben ist und darüber hinaus besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht des Geschädigten als besonders nahe liegend erscheinen lassen (vgl. Urteil vom 13. Juli 1993 – VI ZR 278/92,  NJW 1993, 3067 = VersR 1993, 1092). Besondere Umstände in diesem Sinn hat der Bundesgerichtshof beispielsweise in Fällen angenommen, in denen der Geschädigte ein besonderes Interesse an der Übernahme des Steuers durch den Schädiger hatte, das Haftungsrisiko des Schädigers durch besondere Umstände deutlich erhöht war, der Geschädigte für die Abdeckung seines Risikos zumutbarer sorgen konnte als der Schädiger oder der Geschädigte den Schutz der gesetzlichen Unfall- oder Krankenversicherung genoss (vgl. Urteil vom 14. Februar 1978 – VI ZR 216/76, VersR 1978, 625; Urteil vom 14. November 1978 – VI ZR 179/77,  NJW 1979, 414 = VersR 1979, 136; Urteil vom 18. Dezember 1979 – VI ZR 52/78, VersR 1980, 426; Urteil vom 15. Januar 1980 – VI ZR 191/78, VersR 1980, 384; Urteil vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08, NJW 2009, 1482).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Haftungsbeschränkung bei unentgeltlicher Hilfeleistung im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses anzunehmen ist.

Ein Teil der Instanzengerichte verneint einen stillschweigenden Haftungsausschluss immer dann, wenn der Schädiger gegen Haftpflicht privat versichert ist (LG Magdeburg, Urteil vom 25. Juli 2012 – 10 O 81/12 -, juris: versehentliches Ausschalten eines elektrischen Eisfreihalters des Gartenteichs, Ersticken wertvoller Fische; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 21. November 2014 – 10 O 552/13 -, juris: Umzugshelfer, Augenverletzung; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 7. November 2000 – 29 U 47/00, NJW-RR 2001, 455 = VersR 2002, 705: unentgeltliches Verlegen von Schweißbahnen auf dem Flachdach eines Nachbarhauses im Rahmen eines Auftrags). Umgekehrt wird bei Verursachung eines nicht versicherten Schadens im Rahmen unentgeltlicher Nachbarschaftshilfe in der Regel von einem stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluss für leicht fahrlässiges Handeln des Gefälligen ausgegangen (OLG Stuttgart, Urteil vom 8. Mai 2008 – 13 U 223/07, NJW-RR 2009, 384: Tötung durch versehentliche Betätigung der Schwenkvorrichtung eines Minibaggers; AG Nürnberg, Urteil vom 27. Juli 2005 – 21 C 2563, NJW-RR 2005, 1612 = VersR 2006, 662: Hilfe eines Bekannten beim Abbau eines Stockbettes; generell gegen eine Haftungsbeschränkung: Fischer, in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand. 1. Mai 2015, § 662 Rdn. 6).

Nach anderer Ansicht begründet allein der Umstand, dass der Gefällige über eine Haftpflichtversicherung verfügt, eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit nicht. Teilweise wird darauf abgestellt, ob die im Wege unentgeltlicher Nachbarschaftshilfe zu erledigenden Arbeiten gefahrenträchtig sind (OLG Koblenz, Urteil vom 2. April 2014 – 5 U 311/12 -, juris: Gefährdungshaftung bei Stromunfall auf befriedetem Grundstück). Teilweise wird angenommen, dass bei alltäglichen Gefälligkeiten ohne rechtsgeschäftliche Verpflichtung das Bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung der Annahme einer Haftungsbeschränkung nicht entgegen steht (OLG Celle, Urteil vom 3. April 2014 – 5 U 168/13, MDR 2014, 775: Montage eines Waschbeckens; LG Duisburg, Urteil vom 31. August 2004 – 6 O 99/04, VersR 2006, 223: geringfügige Reparaturarbeit im Haushalt durch einen befreundeten Arbeitskollegen; AG Plettenberg, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 1 C 345/05, NJW-RR 2007, 1038: Umzugshelfer für eine allgemeine Haftungsbegrenzung bei Übernahme einer Gefälligkeit: Gehrlein, VersR 2000, 415, 418; Littbarski, VersR 2004, 940, 955).

dd) Dieser zuletzt genannten Ansicht schließt sich der Senat an. Das führt vorliegend zu der Annahme einer konkludent vereinbarten Haftungsbeschränkung zu Gunsten des Beklagten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.

Allein das Bestehen einer Haftpflichtversicherung kann nach Ansicht des Senats eine Haftung des Gefälligen nicht begründen. Die Frage der Haftung geht der Frage der Abdeckung des Fehlverhaltens durch einen privaten Haftpflichtversicherer denklogisch voraus und kann deshalb nicht allein zu ihrer Begründung angeführt werden. Schließlich geht auch der Bundegerichtshof davon aus, das Bestehen einer Haftpflichtversicherung nur „regelmäßig“ der Annahme einer Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08 – NJW 2009, 1482 = VersR 2009, 1482). Dies erlaubt es, auch bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung unter bestimmten Umständen eine Haftungsbeschränkung zu bejahen.

Solche besonderen Umstände liegen dann vor, wenn es sich um eine typisch alltägliche und unentgeltliche Gefälligkeit unter Freunden, Nachbarn oder Kollegen handelt und ein Schaden im Zusammenhang mit den bei der Ausübung der Gefälligkeit eigentümlichen Gefahren entsteht, der durch eine Versicherung des Geschädigten abgedeckt ist. In diesem Fall kann sich der Geschädigte dem Ansinnen des Schädigers nach einer Haftungsbeschränkung nicht verschließen. Da bei der Inanspruchnahme einer Haftpflichtversicherung üblicherweise eine Selbstbeteiligung, eine Prämienerhöhung oder die Kündigung des Vertrages drohen, kann nicht angenommen werden, dass sich der Gefällige unter diesen Umständen nicht auf eine Haftungsbeschränkung berufen kann. Andernfalls ist zu erwarten, dass sich kaum noch jemand zu einer solchen oder ähnlichen Hilfeleistung bereit erklären würde.

Dies vorausgeschickt gilt hier: Das Bewässern des Gartens während der Abwesenheit des Nachbarn stellt eine typische alltägliche unentgeltliche Gefälligkeit dar, wie sie häufig und regelmäßig durchgeführt wird. Im Vordergrund steht die nachbarliche Hilfe. Sie entspricht gesellschaftlichen Gepflogenheiten und fordert keine besonderen Fähigkeiten des Gefälligen. Gleichwohl birgt eine solche Tätigkeit, wie jedes Tätigwerden für einen anderen, Gefahrenmomente, auch wenn sie vordergründig nicht gefahrgeneigt ist. Diese Gefahr hat sich vorliegend mit dem Austritt von Leitungswasser realisiert.

Der geschädigte Nachbar verfügt über eine Wohngebäudeversicherung bei der Klägerin, die bestimmungsgemäß den Leitungswasserschaden abdeckte und den eingetretenen Schaden vollständig regulierte.

Dies lässt es gerechtfertigt erscheinen, den Beklagten nur dann zur Entlastung der Klägerin auf seine Haftpflichtversicherung zu verweisen, wenn er vorsätzlich – dieser Vorwurf steht nicht im Raum – oder grob fahrlässig gehandelt hat, § 276 BGB.

Das ist nicht der Fall.

c) Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 25. März 2003 – VI ZR 161/02, NJW 2003, 1929 = VersR 2003, 783). Einfache Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die besonderen Merkmale grober Fahrlässigkeit nicht erfüllt sind. Dabei ist zwischen leichtester und mittlerer Fahrlässigkeit zu unterscheiden (vgl. Grundmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 276 Rdn. 108).

Voraussetzung der Fahrlässigkeit ist jedem Fall die Erkennbarkeit der Gefahr. Die Vorhersehbarkeit muss nicht alle Einzelheiten des Kausalverlaufs und einen bestimmten Erfolg erfassen, es muss nur erkennbar sein, dass die Gefahr im Allgemeinen geeignet war, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen (vgl. Urteil vom 4. Mai 1993 – VI ZR 283/92, NJW 1993, 2234; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Juni 1995 – 22 U 220/94, NJW 1995, 1490 = VersR 96, 118 f.; OLG Hamm, Urteil vom 4. April 2014 – 9 U 145/13, RuS 2014, 574; vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 11. Oktober 2001 – 5 U 570/01, NJW-RR 2002, 595 = VersR 2003, 1184: Haftung für Wasserschaden infolge von gefälligkeitshalber übernommenen Reinigungsarbeiten in einem unbewohnten Haus).

Hohe Erkennbarkeit und leichte Vermeidbarkeit begründen den Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Von leichter Vermeidbarkeit ist umso eher auszugehen, je stärker und besser erkennbar das Maß des zu erwartenden Schadens die Vermeidungskosten übersteigt (vgl. Unberath, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand 1. März 2011, § 276 Rdnrn. 19, 28; Grundmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 276 Rdnrn. 94, 97).

Nach diesen Grundsätzen kann hier ein grob fahrlässiges Handeln des Beklagten, für das die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet ist, nicht angenommen werden. Den Beklagten trifft nur den Vorwurf einfacher (mittlerer) Fahrlässigkeit. Das gilt unabhängig davon, ob er nur einmalig oder wiederholt vergessen hat, den Wasserhahn zuzudrehen.

aa) Bezogen auf den Umgang mit Gefahren aus Leitungswasser hat die Rechtsprechung zu den den Versicherungsnehmer im Verhältnis zu seiner Gebäude- und Hausratversicherung obliegenden Sorgfaltspflichten eine umfangreiche Kasuistik entwickelt.

Sie nimmt in der Regel eine grobe Fahrlässigkeit an, wenn Wasser aus dem Wasserhahn laufen kann, weil der Zulaufschlauch platzt oder sich wegen Unterlassens des Absperrens der Wasserzufuhr der Wasserschlauch von Wasserhahn löst (zur Bewässerung von  Balkonpflanzen durch den Bewohner einer Eigentumswohnung: LG Essen, Urteil vom 20. November 2007 – 12 O 375/05 -, juris; zum Wasserzulauf eines Gartenschlauchs: AG Bonn, Urteil vom 18. Januar 2007 – 4 C 294/06 -, juris; zur Waschmaschine: OLG Hamm, Urteil vom 27. März 1984 – 27 U 433/83, NJW 1985, 332; LG Osnabrück, Urteil vom 20. April 2012 – 9 O 762/10 -, juris; LG Hamburg, Urteil vom 27. März 1985 – 2 O 97/84, VersR 1986, 564; a.A. AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 25. September 2001 – 5 C 1602/00 -, juris; zur Geschirrspülmaschine: OLG Oldenburg, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 2 U 135/95, VersR 1996, 1492; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. August.1988 – 4 U 232/87, VersR 1989, 697; OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. Dezember 1986 – 12 U 173/86,  RuS 1987, 231; zur Wasserzuleitung zu einer Heizungsanlage: OLG Zweibrücken, Urteil vom 10. April 2002 – 1 U 135/01 -, juris).

bb) Von den Leitungswasserschäden, wie sie Gegenstand der vorgenannten Entscheidungen waren, entscheidet sich der hier zu entscheidende Fall insoweit, als dass das Leitungswasser vorliegend aus einem an eine Außenzapfstelle eines Hauses angebrachten Wasserschlauch und nicht innerhalb eines Gebäudes herauslief. Das steht der Annahme eines grob fahrlässigen Handelns des Beklagten entgegen. Es fehlt an der Voraussehbarkeit des Schadenseintritt. Der konkret eingetretene Schadensverlauf, das Eindringen des Wassers in das Gebäude des Nachbarn, war als solcher nicht ohne weiteres für den Beklagten erkennbar. Für ihn war zwar objektiv vorhersehbar, dass die Spritzdüse dem Wasserschlauch nicht standhalten, der Schlauch abspringen und Leitungswasser austreten könnte. Das wäre durch einfaches Zudrehen der Zapfstelle vermeidbar gewesen. Auch kann nicht von einem Augenblicksversagen ausgegangen werden, denn der Beklagte hatte Zeit, über erforderliche Maßnahmen zur Vorsorge gegen Gefahren nachzudenken und diese zu ergreifen.

Es war jedoch nicht so naheliegend, dass es jedem hätte einleuchten müssen, dass das aus dem sich außerhalb des Hauses befindlichen Schlauch laufende Wasser in das Untergeschoss des Hauses eindringen und dort zu einem erheblichen Wasserschaden führen würde. Nachdem der Schlauch sich aus der Spritze gelöst hatte, floss es ohne Druck heraus und konnte in den Boden versickern. Dass der Beklagte damit hätte rechnen müssen, dass das Wasser aufgrund der Gegebenheiten (Bodenverhältnisse, Gebäudeverhältnisse) in das Haus des Nachbarn eindringt, ist nicht ersichtlich. Das geht zu Lasten der Klägerin.

5.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.691,53 € festgesetzt.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zu, weil die Frage der Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bei unentgeltlicher und alltäglicher Gefälligkeit von grundsätzlicher Bedeutung und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.


Urteil aufgehoben durch:

BGH, Az.: VI ZR 467/15, Urteil vom 26.04.2016

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. Juli 2015 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 25. November 2014 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.
Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht wegen eines Wasserschadens in Anspruch, der am Haus ihres Versicherungsnehmers, dem Nachbarn des Beklagten, entstanden ist und den sie als Gebäudeversicherer reguliert hat.

Während eines Kuraufenthalts seines Nachbarn übernahm es der Beklagte, dessen Haus zu versorgen und den Garten zu bewässern. Am 29. Juni 2011 bewässerte der Beklagte den Nachbargarten mit einem an eine Außenzapfstelle des Hauses montierten Wasserschlauch. Anschließend drehte er die am Schlauch befindliche Spritze zu, stellte aber nicht die Wasserzufuhr zum Schlauch ab. In der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 2011 löste sich der weiter unter Wasserdruck stehende Schlauch aus der Spritze. In der Folge trat aus dem Schlauch eine erhebliche Menge Leitungswasser aus, lief in das Gebäude des Nachbarn und führte zu Beschädigungen im Untergeschoss. Die Klägerin leistete an den Nachbarn, ihren Versicherungsnehmer, Entschädigungszahlungen. Sie macht nun aus übergegangenem Recht einen Anspruch in Höhe des Zeitwertschadens von 11.691,53 € geltend. Der Beklagte ist für Schäden bei Nachbarschaftshilfe und Gefälligkeitshandlungen privat haftpflichtversichert. Der Privathaftpflichtversicherer hat eine Regulierung abgelehnt.
Die Klägerin meint, der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt, als er den Wasserhahn nicht wieder verschlossen habe. Er hafte zudem auch bei einfacher Fahrlässigkeit, da von einer Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht auszugehen sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Versicherungsnehmers der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB und damit einen Erstattungsanspruch der Klägerin aus § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG verneint. Der Schaden habe sich im Rahmen eines reinen Gefälligkeitsverhältnisses unter Nachbarn ereignet. Für den allein in Frage kommenden Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB liege eine stillschweigende Abrede des Beklagten und seines Nachbarn vor, wonach die Haftung des Beklagten für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen sei. Eine derartige Haftungsbeschränkung könne im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zwar der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zufolge nur ganz ausnahmsweise und unter Hinzutreten besonderer Umstände angenommen werden. Voraussetzung sei grundsätzlich, dass der Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, einen Haftungsverzicht gefordert und sich der Geschädigte dem ausdrücklichen Ansinnen einer solchen Abmachung billigerweise nicht hätte versagen können. Dabei spreche zwar das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes auf Seiten des Schädigers regelmäßig gegen eine Haftungsbeschränkung. In Fällen einer unentgeltlichen Hilfeleistung im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses könne aber allein das Bestehen einer Haftpflichtversicherung eine Haftung des Gefälligen nicht begründen. Besondere Umstände, die die Annahme einer Haftungsbeschränkung rechtfertigten, lägen dann vor, wenn es sich um eine typisch alltägliche und unentgeltliche Gefälligkeit unter Freunden, Nachbarn und Kollegen handle und ein Schaden im Zusammenhang mit den bei der Ausübung der Gefälligkeit eigentümlichen Gefahren entstehe, der durch eine Versicherung des Geschädigten abgedeckt sei. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Da bei der Inanspruchnahme einer Haftpflichtversicherung üblicherweise eine Selbstbeteiligung, eine Prämienerhöhung oder die Kündigung des Vertrages drohten, müsse sich der Gefällige auf eine Haftungsbeschränkung berufen können. Anderenfalls sei zu erwarten, dass sich kaum noch jemand zu einer solchen oder ähnlichen Hilfeleistung bereit erklären würde.

Der Beklagte habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Der konkret eingetretene Schadensverlauf sei als solcher nicht ohne weiteres für den Beklagten erkennbar gewesen. So sei es nicht so naheliegend, dass es jedem einleuchten müsse, dass das aus dem sich außerhalb des Hauses befindlichen Schlauch laufende Wasser nicht nur im Boden versickern, sondern in das Untergeschoss des Gebäudes eindringen und dort zu einem erheblichen Schaden führen würde.

II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Versicherungsnehmer der Klägerin und Nachbar des Beklagten hat gegen diesen einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, der gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin übergegangen ist. Eine Beschränkung der Haftung des Beklagten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit liegt nicht vor.

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Versorgung des Nachbarhauses einschließlich der Bewässerung des Gartens durch den Beklagten im Rahmen eines reinen Gefälligkeitsverhältnisses erfolgte, in welchem es an einem Rechtsbindungswillen fehlt. Für den bei der Ausführung der Gefälligkeit entstandenen Schaden kommen daher keine vertraglichen, sondern nur deliktische Ansprüche in Betracht (Senatsurteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, VersR 1992, 1145, 1147). Das Berufungsgericht hat weiter ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Beklagte durch das Versäumnis, am 29. Juni 2011 den Außerwasserhahn zu schließen, was zu einem Schaden am Gebäude seines Nachbarn führte, die Haftungsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt hat, wobei ihm jedenfalls einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Zutreffend ist das Berufungsgericht ferner davon ausgegangen, dass gesetzliche Haftungsbeschränkungen, insbesondere solche, die für unentgeltliche Verträge gelten (z.B. §§ 521, 599, 690 BGB), auf die deliktische Haftung im Rahmen der unentgeltlichen Nachbarschaftshilfe nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar sind. Dagegen spricht neben den grundsätzlichen Bedenken, dass es an einer echten Anspruchskonkurrenz zwischen deliktischen und vertraglichen Ansprüchen fehlt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, aaO, 1147), schon die Tatsache, dass es für den ebenfalls unentgeltlichen Auftrag als vertragliche Entsprechung zur Hilfe unter Nachbarn eine gesetzliche Haftungsbeschränkung nicht gibt.

2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung von einer Abrede des Beklagten und seines Nachbarn auszugehen sei, nach der die Haftung des Beklagten für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen sei.

a) Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass jemand, dem eine Gefälligkeit erwiesen wird, auf deliktische Schadensersatzansprüche verzichtet (Senatsurteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, aaO, 1147). Eine Haftungsbeschränkung kann sich allerdings im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB ergeben (Senatsurteil vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08, VersR 2009, 558 Rn. 13 mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kann eine solche Beschränkung aber nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden; denn sie stellt eine künstliche Rechtskonstruktion aufgrund einer Willensfiktion dar, da sie von einem Haftungsverzicht ausgeht, an den beim Abschluss der Abrede niemand gedacht hat (Senatsurteile vom 13. Juli 1993 – VI ZR 278/92, VersR 1993, 1092, 1093; vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, aaO, 1147). Voraussetzung ist grundsätzlich, dass der Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, einen Haftungsverzicht gefordert und sich der Geschädigte dem ausdrücklichen Ansinnen einer solchen Abmachung billigerweise nicht hätte versagen dürfen (Senatsurteil vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08, aaO, Rn. 16 mwN; vom 18. Dezember 1979 – VI ZR 52/78, VersR 1980, 426, 427; vom 14. November 1978 – VI ZR 178/77, VersR 1979, 136, 137). An diesen Voraussetzungen fehlt es regelmäßig, wenn der Schädiger gegen Haftpflicht versichert ist. Denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Schädiger, sondern den Haftpflichtversicherer entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten (vgl. Senatsurteile vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08, aaO, Rn. 16; vom 13. Juli 1993 – VI ZR 278/92, aaO, 1093; vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, aaO, 1147). Für die Annahme eines Haftungsverzichts genügt es ferner nicht, dass der Schaden bei einem Gefälligkeitserweis entstanden ist und zwischen Schädiger und Geschädigtem enge persönliche Beziehungen bestehen (Senatsurteile vom 8. Januar 1965 – VI ZR 234/63, BGHZ 43, 72, 76 f.; vom 27. November 1979 – VI ZR 267/78, BGHZ 76, 32, 34 f.; vom 15. Januar 1980 – VI ZR 191/78, VersR 1980, 384, 385; vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, aaO, 1147; vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08, aaO, Rn. 16). Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich, dass der Schädiger keinen Haftpflichtversicherungsschutz genießt, für ihn ein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko bestehen würde und darüber hinaus besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht als besonders nahe liegend erscheinen lassen (Senatsurteile vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08, aaO, Rn. 16; vom 13. Juli 1993 – VI ZR 278/92, aaO, 1093).

b) Ob der Tatrichter nach diesen Grundsätzen zu Recht eine Haftungsbeschränkung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angenommen hat, ist mit der Revision nur eingeschränkt angreifbar. Dies gehört grundsätzlich zum Bereich der tatrichterlichen Feststellung und ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht Auslegungs- und Ergänzungsregeln oder Denk- und Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände unbeachtet gelassen hat (vgl. Senatsurteil vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08, aaO, Rn. 17; BGH, Urteil vom 30. März 1990 – V ZR 113/89, BGHZ 111, 110, 115).

c) Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat zwar richtig gesehen, dass die Tatsache, dass der Beklagte für Schäden bei Nachbarschaftshilfe und Gefälligkeitshandlungen privat haftpflichtversichert ist, ein Umstand ist, der regelmäßig gegen die Annahme einer Haftungsbeschränkung spricht. Rechtsfehlerhaft ist allerdings die weitere Begründung des Berufungsgerichts, dass allein das Bestehen einer Haftpflichtversicherung eine Haftung des Gefälligen nicht begründen könne. Denn begründet wird die Haftung vorliegend allein durch § 823 Abs. 1 BGB, während das Bestehen einer Haftpflichtversicherung auf Seiten des Schädigers für die Frage von Bedeutung ist, ob die Haftung abweichend von der gesetzlichen Regelung ausnahmsweise wirksam beschränkt worden ist. Für die Annahme einer Haftungsbeschränkung genügt auch nicht der vom Berufungsgericht als besonders bezeichnete Umstand, dass es sich vorliegend um eine alltägliche und unentgeltliche Gefälligkeit unter Nachbarn handelt. Wie ausgeführt, rechtfertigt selbst der Gefälligkeitserweis in einer engen persönlichen Beziehung nicht ohne Weiteres die Annahme eines Haftungsverzichts. Es fehlt vorliegend ferner an der Voraussetzung eines nicht hinzunehmenden Haftungsrisikos. Wie das Berufungsgericht selbst anführt, birgt das Bewässern eines Gartens durch den Nachbarn wie jedes Tätigwerden für einen anderen Gefahrenmomente, ohne vordergründig gefahrgeneigt zu sein.

Schließlich rechtfertigt der Umstand, dass der Schaden durch die Gebäudeversicherung bei der Klägerin abgedeckt ist, nicht den Schluss auf eine Haftungsbeschränkung (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1959 – II ZR 126/57, BGHZ 30, 40, 48; Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Auflage, § 276 Rn. 37). Der deliktische Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers der Klägerin gegen den Beklagten als Schadensverursacher wird durch die Gebäudeversicherung nicht berührt; er ging, soweit eine Schadensregulierung durch die Klägerin erfolgte, gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf diese über. Die Willensfiktion einer Haftungsbeschränkung ginge demgegenüber im Ergebnis zu Lasten der Klägerin und würde das Haftungsrisiko von dem Verursacher des Schadens und dessen Haftpflichtversicherung ungerechtfertigt auf die Versicherung des Geschädigten verschieben.

III.
Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, ohne dass es darauf ankommt, ob dem Beklagten grobe oder einfache Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist zurückzuweisen.

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