Bei Arbeitnehmern, die langfristig arbeitsunfähig erkrankt sind, sprechen Arbeitgeber häufig eine krankheitsbedingte Kündigung aus. In vielen Fällen ist die ausgesprochene Kündigung jedoch nicht gerechtfertigt. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung erfolgt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in drei Stufen. Die Kündigung ist im Falle lang anhaltender Krankheit sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), (1.Stufe) wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt, (2. Stufe) eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers besteht und (3. Stufe) eine Interessenabwägung ergibt, dass die Beeinträchtigungen im Betrieb des Arbeitgeber zu einer nicht mehr hinzunehmenden Belastung. Bei einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers auszugehen. Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose (Arbeitsfähigkeit) nicht gerechnet werden kann.
Eine krankheitsbedingte Kündigung ist jedoch dann unverhältnismäßig und unwirksam, wenn sie durch andere Mittel vermieden werden kann. Dabei kommt bei einer krankheitsbedingten Kündigung nicht nur eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen, freien Arbeitsplatz in Betracht. Der Arbeitgeber hat vielmehr alle gleichwertigen, leidensgerechten Arbeitsplätze, auf denen der betroffene Arbeitnehmer unter Wahrnehmung des Direktionsrechts einsetzbar wäre, in Betracht zu ziehen und ggf. „freizumachen“.
Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung bedingen. Dazu gehört auch die Darlegung des Fehlens – alternativer – Beschäftigungsmöglichkeiten.
Ist ein Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung innerhalb 1 Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen krank, ist der Arbeitgeber grundsätzlich nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX dazu verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz BEM) vorzunehmen. Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen/Arbeitnehmer.
Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann durchzuführen, wenn keine betriebliche Interessenvertretung (Betriebsrat) im Sinne von § 93 SGB IX gebildet ist. Das ergibt die Auslegung von § 84 Abs. 1 SGB IX. Die Durchführung eines BEM ist weder unmöglich noch sinnlos, wenn eine betriebliche Interessenvertretung nicht besteht. Das BEM ist zwar selbst kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, z.B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen – ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ – Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden. Wird kein BEM durchgeführt, ist eine ausgesprochene krankheitsbedingte Kündigung unter Umständen unwirksam.